Sich kennenlernen und kreativ sein

Donnerstag, 24 März, 2016
Echo-online.de

Heppenheim 24.03.2016

Sich kennenlernen und kreativ sein

Von Sigrid Jahn

EINWANDERER Starkenburg-Gymnasium und Heppenheimer Flüchtlingshilfe bieten Kunstprojekt für Migrantinnen und deren Kinder

HEPPENHEIM - Ein Kunstprojekt für Migrantinnen und ihre Kinder hatte Susanne von Engeln am Starkenburg-Gymnasium initiiert und die Teilnehmerinnen aus Syrien, dem Iran und Eritrea waren ganz bei der Sache – Fortsetzung nicht ausgeschlossen.

„Wir sind gespannt“, sagte Susanne von Engeln. Die Studienrätin hatte in Zusammenarbeit mit der Flüchtlingshilfe Heppenheim ein Projekt für Migrantinnen initiiert, gemeinsam mit ihren Kolleginnen Christiane Interthal und Silvia Schrader von der Fachschaft Kunst am Starkenburg-Gymnasium ein Konzept erarbeitet, Material, Handwerkzeug, Kaffee, Tee und Plätzchen bereitgestellt und Schülerinnen aus der Arbeitsgemeinschaft „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ zum Mittun gewonnen. Ein Angebot, das in lockerer Runde gegenseitiges Kennenlernen und kreative Betätigung vereinte und bestens ankam.

Namensschilder erleichterten den Einstieg, kommuniziert wurde in Deutsch oder Englisch und bald waren alle Frauen konzentriert dabei, in Styroporplatten unterschiedlichen Formats Sterne, Herzen oder filigrane Ornamente einzuritzen, mit der Farbrolle Zitronengelb, Zinnoberblau oder Karminrot aufzutragen und die kleinen Kunstwerke auf Papier zu drucken – ein unkompliziertes Verfahren, das der Fantasie viel Spielraum bot und rasch Ergebnisse hervorbrachte. „Die Kunst ist dabei nur das Medium“, erläuterte Susanne von Engeln: „Wichtig ist, miteinander ins Gespräch zu kommen.“ Dill aus Eritrea, Amineh und Sedig aus dem Iran kennen sich aus dem Deutschkurs mit Sabine Schlenker von der Flüchtlingshilfe, die sie ins Starkenburg-Gymnasium begleitet hatte.

„Ich bin glücklich in Deutschland“

Gekommen war auch Afraa aus Syrien, die mit ihrer Familie gerade eine eigene kleine Wohnung bezogen hat und die Töchter Joudy, sechs Monate alt, und Layan mitgebracht hatte. Die Fünfjährige war, unterstützt von Theresa aus der Arbeitsgemeinschaft, konzentriert bei der Sache und fertigte selbstvergessen einen Druck nach dem anderen an.

„Ich bin glücklich in Deutschland“, hatte Ammah auf ihre in Frühlingsfarben leuchtende Arbeit geschrieben und auch ein Namensschild für ihre 18 Monate alte Tochter Fatma hergestellt. Die 14 Jahre alte Nojan aus Teheran hatte sich ebenfalls für die typografische Gestaltung ihrer Werke entschieden: „Das Leben geht weiter“, stand auf ihrem Bild, und wer sich mit ihr unterhielt, war nicht nur fasziniert von ihrem ausgezeichneten Deutsch („Ich gehe nach Deutschland, ich muss die Sprache lernen“, hat sie sich zum Ziel gesetzt), sondern ebenso von ihrer Fröhlichkeit und dem Optimismus, den sie ausstrahlte. Trotz der Odyssee, die ihre Eltern und sie – praktizierende Christen aus dem Iran – hinter sich hatten; Strapazen, von denen Nojan freimütig erzählte: 36 Stunden unterwegs im Bus Richtung Türkei, sechs Stunden Überfahrt in einem kleinen Boot nach Griechenland („Das war schrecklich“), weiter per Bus, Zug oder zu Fuß quer durch Mazedonien und Ungarn, um nach 18 Tagen in Rheinland-Pfalz anzukommen.

Fortsetzung nicht ausgeschlossen

Zwei Monate durfte die Familie dort bleiben, wurde dann nach Hessen weitergeschickt und kam über das Aufnahmelager Gießen nach Heppenheim. Hier wohnen die drei in einer Gemeinschaftsunterkunft, haben in der Christuskirchengemeinde Gleichgesinnte gefunden und würden gerne endgültig angekommen sein. Nojan besucht seit zwei Monaten an der Martin-Buber-Schule die Sprachintensivklasse, würde aber doch gerne aufs Gymnasium wechseln – ein Wunsch, der bei Studiendirektorin Christiane Wüstner nicht ungehört verhallte. Das Mädchen hat in Teheran die achte Klasse beendet, dort auch vier Jahre Englisch gelernt, aber Defizite bei den Naturwissenschaften, die ihr den direkten Einstieg in eine neunte Gymnasialklasse verwehrt haben.

Wenn es für Nojan zunächst mit einem Probeunterricht klappen würde, wäre das doch ein schöner Nebeneffekt von Susanne von Engelns neuem Kunstprojekt. Das Fazit der Kunstpädagogin fiel auf alle Fälle positiv aus. „Ich bin ganz glücklich“, sagte sie, als die gesammelten Werke zum Trocknen ausgelegt waren und ein buntes, multikulturelles Panorama ergaben mit dekorativen Mustern, Früchten, Bäumen und Osterhäschen. Als Auftakt gerade richtig, Fortsetzung nicht ausgeschlossen, zumal sich, wie Sabine Schlenker berichtete, auch Männer fürs kreative Gestalten interessieren würden.