Integration nach Noten

Dienstag, 22 März, 2016
Echo-Online.de

Heppenheim 22.03.2016

Integration nach Noten

Von Sigrid Jahn

KULTURGEMEINSCHAFT Chorprojekt mit Einwanderern macht gute Fortschritte / Kostprobe begeistert Publikum im „Café Welcome“

HEPPENHEIM - Willkommenskultur hat viele Facetten: Manchmal tut es gut, miteinander zu reden wie im „Café Welcome“ in der Werlestraße, manchmal hilft die Musik, kulturelle Unterschiede und Sprachgrenzen zu überwinden.

Es geht voran beim neuen Projekt unterm Dach der Kulturgemeinschaft: Sänger der Heppenheimer Chöre und Migranten, die sich schon ein wenig länger in der Stadt aufhalten, hatten Vorsitzender Henner Kaiser und Jürgen Rutz, Initiator und Dirigent des „Popchors 21“ im Hambacher Gesangverein „Liederkranz“, vor zwei Monaten aufgerufen, gemeinsam Lieder einzustudieren.

Zuhörer klatschen und fordern mehr

Mittlerweile, berichtete Jürgen Rutz im „Café Welcome“, der neuen interkulturellen Begegnungsstätte in der Werlestraße, probten etwa dreißig Einheimische und zwölf Einwanderer jeweils donnerstags im Marienhaus. Eine Kostprobe ihres Könnens begeisterte jetzt einmal mehr das Publikum im „Café Welcome“, das mitklatschte, applaudierte und sogar eine Zugabe forderte.

Die war zwar noch nicht im Schnupperprogramm vorgesehen, aber das bisher erarbeitete Repertoire konnte sich durchaus hören lassen. Die Formation präsentierte Popsongs nicht nur in Englisch wie Bill Wither’s „Lovely Day“, sondern auch zwei Stücke in Deutsch – „Über sieben Brücken musst du gehn“ von Peter Maffay und „Ein Kompliment“ von den Sportfreunden Stiller stellten schon vom Text her eine Herausforderung dar: „In Deutsch zu singen, haben sich die Migranten gewünscht“, sagte dazu der Dirigent. Er will daher bei der Auswahl des Liedguts auch weiterhin auf die Wünsche der Teilnehmer eingehen und hofft auf weitere Akteure, wenn sich nach den Osterferien die Sänger zur nächsten Chorprobe am Donnerstag, 14. April, um 18.15 Uhr im Marienhaus treffen.

Übersetzt hatten eine kurze Inhaltsangabe der Lieder sowie die Termininformationen Nooria Hariri ins Persische – die Iranerin ist schon seit 21 Jahren in Heppenheim zu Hause und hilft ihren neu hinzugekommenen Landsleuten gern bei der Integration – sowie Moaaz Zakzak als Dolmetscher für Arabisch. Der junge Mann lebt seit einem Monat in Fürth, hat zuvor ein Jahr in Heppenheim gewohnt und sich beim Auftritt spontan zum Mitsingen entschlossen.

Migrant spielt jetzt in Jazzcombo mit

Musik verbindet über Sprachgrenzen hinweg, das hatte auch Jürgen Müller von der Flüchtlingshilfe Heppenheim zu erzählen. Als seine Mitstreiter und er sich mit einem Neuankömmling, der nicht einmal Englisch sprach, zusammensetzten und mit Hilfe von Fotos herausfanden, dass dieser in seiner Heimat Schlagzeug und Bongo gespielt hatte, nahmen sie gleich Kontakt zu den Dozenten der Musikschule auf. Das Ergebnis: Jetzt spielt der Migrant in der Jazzcombo mit – auch das ist Integration nach Noten.

Interessen bündeln möchte der offene Arbeitskreis, der sich im Dezember 2014 gegründet hatte und unter anderem von Stadt, Kreis und den Kirchengemeinden unterstützt wird, auch zukünftig. Sportbegeisterte möchte man bei den Vereinen der Kreisstadt unterbringen, auch an Schwimmkurse wird gedacht.

Naturfreunde und Wanderer haben ja schon länger eine Heimstatt beim Odenwaldklub, die Flüchtlingshilfe bietet zudem Unterstützung bei Behördengängen und Arztbesuchen, Hausbetreuung oder Sprachtraining.

Als offener Treff für Heppenheimer und Migranten hat sich das „Café Welcome“ sowieso schon etabliert. „Eine tolle Sache“, sagt Jürgen Müller, „es geht ganz unkompliziert zu, jeder kann ganz unverbindlich vorbeikommen und in lockerer Atmosphäre Kontakte knüpfen.“ „Wie auf dem Marktplatz“, ergänzt Mitstreiterin Uta Forstat, und verweist auf eine weitere Möglichkeit zum geselligen Kennenlernen immer dienstags von 19.30 bis 21 Uhr in der Christuskirche. Hier wird auch gerne mal international gekocht.