Auf lokaler Ebene funktioniert das Miteinander

Samstag, 27 Februar, 2016
Echo-Online.de

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Von Thomas Zelinger

SOZIALES Flüchtlingshilfe Heppenheim zieht positive Bilanz nach den ersten Monaten / Viele Bürger engagieren sich für die 532 Asylbewerber in der Kreisstadt

HEPPENHEIM - Während die Politik im Großen noch darum ringt, wie mit der Flüchtlingskrise umzugehen ist, organisieren vor Ort Ehrenamtliche Hilfe. In Heppenheim hat diese zusehends professionelle Züge angenommen. Für Donnerstagabend hatte die Initiative zur Standortbestimmung ins Plenum eingeladen. Das Werben um Unterstützung war ein weiterer Schwerpunkt.

Zusammengekommen waren Koordinatoren, aktive Helfer und an einer Mitarbeit Interessierte im „Haus Dornbusch“, dem Gemeindezentrum der katholischen Weststadtpfarrei Erscheinung des Herrn. „Ich bin beeindruckt, was Sie auf die Beine stellen“, zollte Charis Eibl der Flüchtlingshilfe Heppenheim Respekt. Er sprach aus, was viele Beobachter denken. Eibl begrüßte als stellvertretende Vorsitzende des Pfarrgemeinderats von Erscheinung des Herrn im Namen der Hausherren. Moderiert wurde die Zusammenkunft von Janina Adler und Tony Schwarz. Beide gehören zu jenen Frauen und Männern, die der Flüchtlingshilfe nach außen ein Gesicht geben und mit ihrem Auftreten und ihren Worten die Motivation der Gruppe verkörpern.

„Wir wollen nicht nur über, sondern mit Menschen reden“, so Schwarz. Dementsprechend skizzierte ein in der Region lebender Flüchtling seine Geschichte. Der junge Bauingenieur aus Syrien sprach davon, wie er Bilder von Flüchtlingen aus anderen Ländern in den Medien gesehen hatte. Der Gedanke, selbst einmal auf der Flucht zu sein, war damals für ihn undenkbar. Dann fielen Bomben in seinem Land. „Der Krieg ist gegen das Volk“, sagte der Mann. Er musste fliehen, kam über die Türkei und das Mittelmeer, in einem Boot mit 700 Menschen, nach Italien, dann nach Deutschland. Eine Odyssee voller Angst, Ungewissheit und dem Wissen, dass viele andere Flüchtlinge ums Leben gekommen sind. Nun will der junge Syrer vor allem eines: „Ich möchte in Frieden und Sicherheit leben.“ Und er möchte möglichst bald wieder in seinem Beruf arbeiten. Derzeit macht er einen Sprachkurs und ein Praktikum.

Es sind Menschen wie er, denen die Flüchtlingshilfen vielerorts zur Seite stehen. Kreisweit, so Tony Schwarz, gibt es derzeit 3690 Frauen, Männer, Jugendliche, Kinder, die Asyl beantragt haben. In Heppenheim sind es 532. Sehr viele kommen aus Kriegs- und Krisenregionen. Die Wahrnehmung vieler, dass das Leben der Flüchtlinge unterschiedlicher Herkunft miteinander und mit den Heppenheimern weit reibungsloser verläuft als andernorts, bestätigte eine Polizistin sowie ein Migrationsbeauftragter der Polizei.

„Ich bin positiv überrascht“, sagte die Polizistin. Auch wenn das Zusammenleben unter, wie sie sagte, „nicht ganz optimalen“ Bedingungen in den Unterkünften zu organisieren sei, laufe dies erstaunlich gut. Überproportional viele Straftaten seien nicht zu verzeichnen, schwere Straftaten praktisch gar nicht. Die Beamtin nahm damit Skeptikern, die immer wieder in der Öffentlichkeit ein Forum suchen und ein anderes Bild zeichnen, Wind aus den Segeln. Ziel der Polizei sei, sich den Flüchtlingen als Freunde vorzustellen – eine Rolle, die viele der Menschen von der Polizei in ihren Heimatländern so gar nicht kennen.

Stimmungsmache in den sozialen Medien

Die Beamten beklagten jedoch eine „extreme Stimmungsmache“ in sozialen Medien gegen Flüchtlinge. Dass das reale Leben ganz andere Geschichten schreiben kann, zeigt die Flüchtlingshilfe Heppenheim. Diese hat sich breit aufgestellt, viele Gruppierungen und Bürger haben sich dafür vernetzt. Kommuniziert wird untereinander inzwischen über ein Intranet und, ein ganz wichtiger Schritt, nach außen über das Internet. Unter www.fh-hp.de stellt die Initiative ihr umfangreiches Angebote für Flüchtlinge und ihre Arbeit dar. Wer mitmachen möchte, kann dort informieren und Kontakt finden. Zudem bietet die Internetseite die Möglichkeit, Geld zu spenden und benennt die nötigen Sachspenden.

Im Plenum im Haus Dornbusch präsentierten sich verschiedene Gruppen der Initiative. Die Schwerpunkte des Engagements sind äußerst vielschichtig und reichen von der Unterstützung beim Erlernen der deutschen Sprache über die Themen Arbeit und Betreuung bis zu Kontakten in die Unterkünfte. Auch gibt es gemeinsame Projekte, in denen Flüchtlinge und Deutsche zusammenfinden. Treffen im Café Welcome und Singen in einem Chor gehören dazu. Helfer und Unterstützer sind bei alldem willkommen. „Je mehr wir werden, desto besser ist es“, so ein abschließender Appell von Schwarz. Er sieht in der aktuellen Situation „eine wahnsinnige Chance für unsere Gesellschaft“.

Internet Mehr zur Flüchtlingshilfe Heppenheim, www.fh-hp.de

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